Einträge von: Marco Clausen

Urbane Landwirtschaft: langweilig wird sie nie!

Jan Joswig sorgt sich in der Kolumne „Nächste Ausfahrt Moritzplatz“ in der taz darum, dass das junge Partyvolk „die Nachtruhe der Ökopflanzen im Prinzessinnengarten“ stören könnte. Unsere Nachbarn aus dem betahaus fantasieren mit uns zusammen über die Stadt der Zukunft, deren Dächer großflächig von urbanen Nutzgärten überwuchert werden. Zwischennutzungsinteressierte Architekturstudenten aus Aarhus (Dänemark) informieren sich über unsere mobilen Beete und Bahnreisende mit Rollkoffern kommen direkt vom Hauptbahnhof, weil sie in der bahn mobil von unserem Garten gelesen haben. Die Band Dominique hat das Video zu ihrem Gardensong bei uns gedreht. Am Donnerstag und Samstag wurden von einer Vielzahl helfender Hände weitere Beete gebaut. Robert und Micha haben eine wunderschöne Bar in den Cafécontainer gezimmert und gemeinsam mit der norwegischen Künstlerin Åsa Sonjasdotter planen wir eine lebende Ausstellung zur Kulturgeschichte der Kartoffel (mehr dazu unter Projekte).


16.4. Rein in die Grundbirnen

Zusammen mit unserem Erdapfelexperten Bennar und der Künstlerin Åsa Sonjasdotter (potatoe perspective) werden wir 20 traditionelle Kartoffelsorten anbauen, darunter Adretta, Arran Victory, Asparges, Bamberger Hörnchen, Blauer Schwede, Highland Burgundy, King Edward, Linda, Mehlige Mühlviertler, Pink Fire Appel, Rote Emma, Shetland Black und Vitelotte. Als lebendes Ausstellungsexemplar kann uns dieser globale Migrant aus den Anden Geschichten von der Kolonialisierung Südamerikas über die Industrielle Revolution bishin zur Wirtschaftsordnung der EU und der Patentierung biologischen Erbguts erzählen.

Broschüre „The Order of Potatoes. A Potato Perspective on a European Matter


Pioniere der postindustriellen Stadt des 21. Jahrhunderts

Julien Temple erzählt in seiner Dokumentation „Requiem for Detroit“ (2010) die Geschichte einer Stadt, die wie keine andere für die Industriegeschichte des 20 Jahrhunderts steht. Mit dem Niedergang der Autoindustrie zerfällt ein Großteil der Fabriken, Wohnhäuser und Konsumtempel. Was bleibt sind Ruinen, Brachland und eine Stadt, die aufhört zu funktionieren. In den entstehenden Lücken beginnen Pioniere an der postindustriellen Stadt der Zukunft zu bauen.


reparieren – wiederverwenden – weitergeben

„Das ist doch noch gut!“ : nach diesem Motto haben wir auf einem brachliegenden Grundstücks in Friedrichshain Material für unseren Gartenaufbau zusammengesammelt. Im Vorgarten des ehemaligen Bechsteingebäudes am Moritzplatz, da wo jetzt das Modulorhauses entstehen wird, haben wir drei Weiden und und einige Rosen gerettet und bei uns eingepfanzt. Die Nachbarschaft bedient sich bei an unserem Haufen aus Kamelmist, um ihre Blumenerde zu verbessern. Und Marie-Luise Clausen aus Schleswig hat uns dankenswerter Weise einige ihrer Hochleistungs-Rotwürmer zukommen lassen, damit diese unseren Kompost in wertvollen Humus verwandeln. Kein geringerer als Charles Darwin hat mit seiner Schrift „Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer“ (1881) diesen wichtigen Beitrag der Würmer gewürdigt und sie von dem Vorwurf befreit Schädlinge zu sein.


Frühlingserwachen im Neuen Kreuzberger Untergrund

Wir reiben uns den Winterschlaf aus den Gärtneraugen und machen, dass wir wieder ins Freie kommen. Unter anderem mit unserem Projekt Moritzküche: Zusammen mit Kindern der Hunsrück Grundschule gärtnern und kochen wir in den Prinzessinnengärten. Die Kinder erkunden den neuen Kreuzberger Untergrund:  Es wird gegraben, gebuddelt, gepflanzt, gesäht … und am Ende wandern die geernteten Bodenschätze direkt vom Feld in den Topf.

Während dessen haben wir einer Gruppe von Stadtaktivisten aus Amsterdam  von der Idee unseres Gartens erzählt und Erfahrung über ein alternative Aneignung von städtischen Freiräumen ausgetauscht.


06.03. Frühjahrsputz

Nach der 1929  veröffentlichten kleinen Gartenfibel „Das Jahr des Gärtners“ von Karel Capek ist jetzt die Zeit der Bodenaufbereitung. Für ihn hiess es noch mühsam Eierschalen, Ruß und Fingernägel sammeln, um den Boden zu verbessern und wehmütig an die Fülle auf dem Land zu denken: „… du Gärtner in der Stadt, stell dir … so einen fetten, braunen, rauchenden Misthaufen auf einem Bauernhof vor“. Dank den Kamelen und dem Lama Rocky haben wir nun mehr als reichlich von dem guten Dünger. Und einige fleißige Hände haben uns geholfen, ihn zusammenzutragen.


Gewerberäume zu Gewächshäusern: Anzucht in der Pappelallee

30 Millionen Menschen spielen angeblich jeden Tag „Farmville“, eine Bauerhofsimulation im Internet, um Gemüse anzubauen und Freunde kennenzulernen. Wir  gehen dafür lieber in die Stadt. Urbane Landwirtschaft bedeutet hier aber auch, arbeiten mit dem, was da ist. So haben wir zwar kein Gewächshaus, aber einen guten Draht zur Leuchtturm-Genossenschaft, die ein generationsübegreifenden Wohnprojekt in einem Niedrigenergiehaus in der Pappelallee 43 betreibt. Den Gewerberaum mit Fensterfront zur Strasse, der demnächst vermietet werden soll, dürfen wir freundlicherweise temporär nutzen, um hier unsere Jungpflanzen anzuziehen – darunter:  Kohlrabi „Azur Star“, Knollenfenchel „Perfektion“, Paprika „Pustagold“ und Süsse Zitronenminze.

Vielen Dank