Filmvorführung „Gegen Bauspekulanten und Stadtzerstörer“

DragonerFuehrung

Im Rahmen der von ihm kuratierten Filmreihe zu Bodenfrage, Mieterkampf und Selbstversorgung hat Florian Wüst im Rahmen der Nachbarschaftsakademie zwei Filme in den Archiven zum Arbeiterwohnungsbau im Ruhrgebiet aufgetan (Filmbeschreibung). Im Sinne der Idee wechselseitiger nachbarschaftlicher Hilfe haben wir die Filme auf dem sogenannten Dragoner-Areal gezeigt, auf dem sich NutzerInnen und AnwohnerInnen derzeit gegen eine Privatisierung und für 100 % wirklich bezahlbaren Wohn- und Gewerberaum einsetzen

Die Filme wurden im Original als 16mm-Kopien gezeigt. Der 1953 veröffentlichte Film „Wir schaffen Wohnstätten“, der von der Rheinisch-Westfälische Wohnstätten AG in Auftrag gegeben worden war, stellt den Wiederaufbau nach 1945 aus der Perspektive der Wohnungsbaugesellschaften dar. Der zwei Jahrzehnte später von Studierenden der dffb  gedrehte Film „Flöz Dickebank“ zeigt dagegen den Kampf einer MieterInitiative gegen den Abriss einer der ältesten Zechensiedlungen des Ruhrgebiets. Die Häuser, in denen mehere Generationen von Bergarbeiterfamilien schon über 100 Jahren gelebt hatten, sollten profitableren Wohnblöcke weichen. Erwähnt wird von den MieterInnen auch immer wieder die Bedeutung der eigenen Gärten vor den Häusern, die der „Sanierung“ (Zitat einer der Mieterinnen: „hier saniert sich die Wohnbauwirtschaft“) weichen sollten.

FloetzDickebank

„Und jetzt, nach so viel Jahren, kommen die hier mit einem Plan an, mit hohen Häusern und großen Kästen. Die sagen sich: Die verfluchten kleinen Proleten leben da so schön im Grünen. Denen reißen wir die Buden unterm Arsch ab.“

Der Film, der auf einen Kommentar verzichtet, lässt die handelnden Menschen selber sprechen. „Flöz Dickebank“ zeigt dabei vor allem die Selbstorganisation der MieterInnen und wie sie gegenüber den Medien, Politik, Gewerkschaften und Planung, sowie den Eigentümergesellschaft eine eigene Stimme entwickeln und gegenüber den ExpertInnen eigenes Wissen aufbauen und austauschen.

Bedrohtes Gartenidyll in der Zechensiedlung

Von der „Kahlschlagsanierung“ bedrohtes Gartenidyll in der Zechensiedlung

Nach Fertigstellung des Films und insgesamt zweijährigem Protest, der trotz Zwangsräumungen nicht nachließ, war der Kampf gegen Kahlschlagsanierung und Bauspekulation erfolgreich. Im Sommer 1976 wurde der Erhalt und die Instandsetzung von Flöz Dickebank verkündet. Heute befindet sich die unter Denkmalschutz stehende Siedlung im Prozess der Privatisierung, ein Fünftel der 125 Hauseinheiten ist bereits verkauft.

 

Nachbarschaftliche Hilfe: Warum wir den Film auf dem sog. Dragoner-Areal gezeigt haben

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Kurzfristig haben wir die Filmvorführung auf das sogenannte Dragoner-Areal in Kreuzberg 61 verlegt. Hier kämpfen MieterInnen und AnwohnerInnen für die Entwicklung einer der größten in der Innenstadt noch befindlichen Freiräume zugunsten der bisherigen NutzerInnen und der Nachbarschaft. Ihr Protest hat bewirkt, dass das Gelände nicht einfach stillschweigend an einen internationalen Investor verkauft wurde, sondern der laufende Privatisierungsverfahren des in Bundesbesitz befindlichen Geländes momentan noch im Bundesrat blockiert wird.

Vor der Filmvorführung hat uns Stadt von Unten eine Führung über das Gelände gegeben und dabei auch deutlich gemacht, dass es sich nicht um eine „Brachfläche“ handelt, sondern Dutzende kleine Gewerbetreibende hier ihren Lebensunterhalt verdienen. Darunter auch der Gretchen Club, der uns die Filmvorführung in seinem Räumen ermöglicht hat. Auseinandersetzungen um Verdrängung und bezahlbare  Gewerbemieten werden derzeit auch an anderer Stelle in der Stadt geführt, am sichtbarsten momentan im Wrangelkiez, wo Hunderte NachbarInnen jeden Mittwoch Abend die Straße nutzen, um sich in öffentliche Versammlungen für den Verbleib des für den Kiez so wichtigen letzten kleinen Gemüsehändlers einzusetzen (Bizim Kiez)

Das Zeigen der historischen Filme und die darauf folgende engagierte Diskussion hat Parallelen aber auch Unterschiede in den Auseinandersetzungen der 70er und der Gegenwart um Grund, Boden und Wohnen deutlich gemacht und die Frage aufgeworfen, wie man sich in Zukunft erfolgreich für einen gemeinwohlorientierte Wohnungs- und Städtebau einsetzt und organisiert.

FilmBauspekulanten

In der Rückmeldung einer Besucherin hiess es:

„Danke für den tollen Film gestern, wir haben noch bis 3 Uhr auf dem Balkon gesessen und diskutiert und dann heute morgen gleich wieder. Es ist so wichtig, dass dieses Wissen in Umlauf kommt.“

 

Der Abend wurde organisiert in einer Kooperation der Nachbarschaftsakademie mit dem „Bündnis Stadt von Unten“ sowie dem Gretchen Club.

Notiz zum Umzug der Filmvorführung:

Bizim ist überall oder: Warum wir es auf dem sogenannten Dragoner-Areal tun