Netzwerk für die Politisierung der Urbanen Gartenbewegung und Gemeinschaftsgärten
Ein Reise- und Konferenzbericht aus Israel und Palästina von Ella von der Haide und Severin Halder
Vom 25. bis zum 30. Juli 2015 waren wir, Severin Halder und Ella von der Haide, in Ramallah auf der siebten „Internationalen Konferenz für Kritische Geographie“ und haben dort das Manifest der Urbanen Gärten und seinen Entstehungsprozess vorgestellt.
Über 280 internationale Forscher_innen waren den weiten Weg nach Ramallah gekommen und berichteten in ihren Vorträge über ihre Forschungen zu den unterschiedlichsten Themen im Bereich kritischer Geographie. Die Themen reichten von direkter Demokratie und Feminismus bei den Zapatistas in Chiapas Mexico oder der Widerstandsbewegung Schwarzer Amerikaner_innen in den US-Gefängnissen, Erfahrungen mit Gemeinschaftswohnprojekten in England bis hin zur Geschichte der feministischen Bewegung in Palästina. Zusätzlich wurden 15 spannende Exkursionen durch Palästina und Israel organisiert.
Wir waren Teil eines mehrstündigen Workshops mit dem Titel „Politicising the food movement in urban contexts“ (Übersetzung: „Politisierung der urbanen Ernährungsbewegung“). Ziel des Workshops war einander kennenzulernen, voneinander zu lernen und ein internationales Netzwerk zu gründen, um gemeinsam in dem Diskurs um Ernährungsgerechtigkeit oder -souveränität gehört zu werden.
Zu diesem Workshop waren acht internationale Vortragende eingeladen, die sich gleichzeitig wissenschaftlich und aktivistisch in unterschiedlichen Projekten zum Thema Ernährung engagieren, sogenannte „Activist or Engaged Scholars“. Insgesamt nahmen 18 Personen an dem Workshop teil.
Ziel des Workshops war einander kennenzulernen, voneinander zu lernen und ein internationales Netzwerk zu gründen, um gemeinsam in dem Diskurs um Ernährungsgerechtigkeit oder -souveränität gehört zu werden.
Wir waren die einzigen Teilnehmer_innen aus Deutschland und berichteten von unseren eigenen Forschungen zu Gemeinschaftsgärten. Severin stellte das Allmende-Kontor und das Handbuch zum Lernen in urbanen Gärten „Wissen wuchern lassen“ vor und Ella erzählte über ihre Erfahrungen mit Gemeinschaftsgärten und Vertreterinnen der Kommunen und ihre Veröffentlichung zum Thema („Die neuen Gartenstädte: Urbane Gärten, Gemeinschaftsgärten und Urban Gardening in Stadt- und Freiraumplanung“ ) und über ihre Dokumentarfilmreihe „Eine andere Welt ist pflanzbar!“ zu Urbanen Gemeinschaftsgärten weltweit (www.eine-andere-welt-ist-pflanzbar.de).
Gemeinsam beschrieben wir den zweijährigen Entstehungsprozess des Manifests der Urbanen Gärten, an dem wir beide beteiligt waren. Uns war wichtig aufzuzeigen, dass es für eine breite partizipative Diskussion viel Zeit und Organisation braucht, vor allem wenn diese bundesweit stattfindet, dass auf diesem Weg jedoch nicht nur ein Dokument entsteht, sondern auch Beziehungen und Vertrauen aufgebaut und gemeinsame Werte und Visionen gefunden werden. Beides sind die Voraussetzungen für die Bildung einer kollektiven Identität und politische Handlungsfähigkeit.
Wir haben aber auch unsere Bedenken dargelegt, ob das Manifest in seiner Außenwirkung das hält was wir uns davon versprechen. Die Hoffnung ist ja, dass durch das Manifest die Vielfältigkeit der Urbanen Gartenbewegung aufgezeigt werden kann und so der verkürzten Berichterstattungen in den Medien oder auch der Vereinnahmung durch Werbungen entgegenzuwirken. Ob diese Ziele erreicht werden, wird sich erst in ein paar Jahren zeigen.
Die anderen Teilnehmer_innen berichteten von ihren Erfahrungen mit Gemeinschaftsgärten in Großbritannien und einer großflächigen partizipativen Untersuchung über Ernährungsgerechtigkeit und dem Aufbau von Ernährungsbeiräten in Australien. Es gab spannende Beiträge zum Thema Gentechnik-Versuche oder besser deren Verhinderung durch Feldbefreiungen in Belgien und einen Vortrag zum Aufbau von Solidarischen Netzwerken bei der gerichtlichen Durchsetzung von Zugang zu Wasser in Paris.
Ella war vor und nach der Konferenz noch ein paar Tage in Jerusalem und Tel Aviv und hatte dort Gelegenheit, mehrere Gemeinschaftsgärten zu besichtigen. Beide Städte haben seit sieben Jahren ein kommunales Gemeinschaftsgarten-Programm. In Tel Aviv gibt es aktuell 25 und in Jerusalem über 40 Gemeinschaftsgärten. Die Programme unterstützen die Gartengruppen mit öffentlichen Flächen, Bewässerungssystemen (Tröpfelbewässerung), Erde, Pflanzen, Samen und sogar Training für ökologisches Gärtnern und Saatgutvermehrung wird angeboten.
Ein Garten, der ihr besonders gut gefallen hat, liegt in einem neu angelegten öffentlichen Park „Kiryat Sefer“ mitten in Tel Aviv. Der Park konnte von Anwohner_innen durch Proteste, entgegen der ursprünglichen Planung der Stadt das Grundstück an einen Entwickler zu verkaufen, erstritten werden. Er wurde anschließend partizipativ geplant und beeindruckt besonders dadurch, dass die Gemeinschaftsbeete in große Pflückbeete übergehen mit unterschiedlichsten Kräutern von Rosmarin bis hin zu Zitronengras. Auf der anderen Seite der Beete gibt es eine Leinwand für Videovorführungen und einen großen Bereich für Kindergartengruppen.
In Tel Aviv konnte Ella auch noch eine nach „Guerilla Gardening“ aussehende Pflanzaktion in der Unterführung zum Busbahnhof anschauen.
Die Gärten die ich in Jerusalem gesehen habe, haben ihr besonders durch ihre Doppelfunktion als kleine Stadtplätze in Fußgängerzonen gefallen.
Bei Interesse daran, Teil des Netzwerkes der „Engaged Scholars“ zu werden, mehr zu erfahren oder Kontakte nach Israel und Palästina aufzubauen, stehen wir gerne zur Verfügung: Ella von der Haide post@ella-von-der-haide.de oder Severin Halder severinhalder@gmail.com.
Infos zu den Dokumentarfilmen von Ella von der Haide Urbane Gärten: www.eine-andere-welt-ist-pflanzbar.de