In Solidarität mit der ZAD

Verteidigt die Gemeingüter weltweit

Am Montag den 9 April hat die französische Polizei damit begonnen, Bauernhöfe, Häuser und Scheunen in der ZAD (The zone à defendre, Zu verteidigendes Gebiet) zu zerstören. Bei dem Gebiet der ZAD, auf dem ein halbes Jahrhundert lang ein Großflughafen geplant war, handelt es sich um eines der wichtigsten gegenwärtigen Orte sozio-ökologischer Auseinandersetzungen in Europa. Notre-Dame-des-Landes könnte für den Kampf um Klima- und Umweltgerechtigkeit in Europa dieselbe Rolle spielen wie der Widerstand gegen die Ölpipeline in Standing Rock es für die Mobilisierung in Nordamerika getan hat. In beiden Fällen beruft sich der Widerstand gegen die megalomanen Projekte der fossilen Zivilisation auf eine andere Art mit dem Land umzugehen. Nicht Eigentum und wachstumsgetriebene Extraktivismus, sondern die Sorge um das Land, das Ökosystem und das Wasser stehen im Vordergrund. Das Gebiet wird als ein Gemeingut betrachtet, die NutzerInnen sind nicht EigentümerInnen, sondern Sorgetragende und Treuhänder ihrer Umwelt.

Solidaritätsaktion mit der ZAD in der Laube im Prinzessinnengarten zusammen mit Nachbarschaftsakademie, Commons-Abendschule und Artists at Risk

In dem Gebiet im Westen Frankreichs wurde nach über einem halben Jahrhundert des Kampfes der geplante  Flughafen endgültig verhindert. Der vielfältige und breite Widerstand brachte nicht nur lokale Bevölkerung, Bauern und Bäuerinnen, UmweltschützerInnen und KlimaaktivistInnen zusammen, sondern hat in den letzten Jahren auch eine andere, selbstorganisierte Art zu leben, zu arbeiten, zu bauen und den Boden zu bearbeiten gedeihen lassen. Will man eine zukunftsfähige Welt, dann kann die Anwort auf die das Engagement für Klima- und Umweltgerechtigkeit nicht darin bestehen, mit Schagstöcken und Trängas den Weg freizuschlagen für Großprojekte und industrielle Landwirtschaft, die der Vergangenheit angehören.

Ein Video das zeigt, was in der Zad entstanden ist und nun droht zerstört zu werden

Auf dem „befreiten Gebiet“ leben 300 Menschen in 80 Kollektiven, die in den letzten Tagen versucht wurden gewaltsam zu Räumen. Es waren diese Menschen und die breite internationalen Unterstützung, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Flughafenpläne endgültig verworfen wurden. Für diesen Sieg scheint man an den Menschen in Notre-Dame-des-Landes jetzt Rache nehmen zu wollen, in dem 2500 Bereitschaftspolizisten entsandt wurden, um mit Polizeipanzern, Schlagstöcken und Tränengas die alte Ordnung gewaltsam wieder herzustellen. Dieser Angriff richtet sich nicht nur gegen die Besetzung, er richtet sich gegen die Idee einer anderen Lebens jenseits des Betons, der Megaprojekte und des umweltzerstörenden Wachstums.

Die ZAD wurde 2009 gegründet, nachdem lokale Bewohner dazu aufgerufen hatten, die verlassenen Bauernhäuser zu besetzen. Sie ist inzwischen zu einem der größten Commoning-Experimente in Europa geworden. Statt mit Beton versiegelt zu werden, blüht hier ein anderes Leben. In der Erklärung „Es ist Zeit andere Formen zu leben zu verteidigen“ erklären über 100 Architekten, Urbansten und Intellektuelle:

„Dadurch, dass sie den Boden und das Gebiet  am Leben gehalten haben, haben alte und neue BewohnerInnen die Zerstörung der Natur und der landwirtschaftlichen Flächen für mehr als zehn Jahre verhindert. Sie sind zu Treuhändern oder Sorgenden dieser Ortes geworden, in dem sie neue Formen kollektiver Organisation und Handels entwickelt haben; dazu zählen Holzbau, Backen, Gemeinschaftsgärtnern, Weizenanbau, Waldbau, eine Bibliothek, Obstgärten, eine Brauerei, Käseherstellung, die Konservierung von Lebensmitteln, eine Schmiede, eine Gerberei, einen Laden für Heilpflanzen, Musik und mehr. Durch dieses Tun haben sie gezeigt, dass es möglich ist anders zu leben, weit entfernt von staatlichen Szenario einer industriellen und standardisierten Landwirtschaft, sowohl durch alternative Formen des Bauens als auch dadurch, einen lebenswerte und nachhaltige Zukunft für ländliche und bäuerliche Gebiete zu imaginieren … Durch das Zusammenwirken einer Vielfalt von ältere und neuere BewohnerInnen, kleine bäuerliche Betriebe, BesetzerInnen, Nachbarn, wilden und domestizierten Tieren, Gräsern, Insekten und Bäumen und mit jenen, die hierher kommen, FreundInnen, Studierende, AktivistInnen, Reisende, HandwerkerInnen, ist ein geteiltes Territorium entstanden,  jenseits dews Konzepts von Eigentum, Gewohnheiten und materiellen Loyalitäten … Und weil die ZAD den Weg weist zu einem Leben woanders und anders als in den Metropolen, ist dieses Experiment relevant für uns alle.“

Die Unterzeichnenden setzen sich gegen die Zerstörung der ZAD mit den Worten ein:

„Wir wissen, dass es nicht ausreichen wird, die Quellen unserer Energiegewinnung sauberer zu machen, umweltfreundlicher zu bauen oder unsere Städte grüner zu machen, um eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft für uns zu sichern. Die Bedeutung Lebensformen zu entdecken, die weniger Energie und Ressourcen verbrauchen und für die wir uns vollständig einsetzen können, verlangt von uns, die ZAD und ihre Bewohnerinnen zu verteidigen“.

It’s Time t o Defend Other Ways of Living, 12.04.2018

Am 24. April haben einige der Zadisten unter dem Titel The Revenge Against the Commons einen Situationsbericht nach Wochen der gewaltsamen Angriffe gegen das größte europäische Commoning-Projekt veröffenlicht. Die zu verteidigende Zone (Zad) hat, so heisst es darin, knapp ein Jahrzehnt unabhängig vom Staat und Kapitalismus  existiert. Und daher könne keine Regierung es erlauben, das ein solcher Ort weiter gedeiht. In Notre Dame des Landes geht es nicht nur um eine einzelne Besetzung. Es geht um unsere gemeinsame Zukunft, um den Kampf gegen eine Mega-Infrastruktur und die Welt, für die sie steht. Um Gebiete, die bewohnt werden von Menschen, die eine Brücke bauen zwischen Träumen und Handeln. In diesem Sinne, so schreibt Naomi Klein, sei die ZAD ein Modell. „Wir müssen die Welt hervorbringen, die wir verteidigen wollen. Diese Brüche, in denen Menschen sich finden um eine schöne Zukunft mitzubauen, sind wichtig.“ Die Zadisten betonen die Wichtigkeit der Dauer eines solchen Commoning-Experiments. Die ZAD habe immer über die Ideen des Temporären hinausgehen wollen zugunsten von dauerhaft selbstorganisierten Zonen. „Dieses Bedrüfnis zeigt sich in den soliden Bauwerken, die hier entstanden sind, in den langfristigen landwirtschaftlichen Anbauplänen, in den Weinstöcken, die erst nach Jahren Erträge abwerfen. Wir können die Beziehungen, die wir hier aufgebaut haben, nicht einfach loslassen. Die Beziehungen mit den Nachbarn, mit den Pensionären, mit den Arbeitern in der Stadt, mit Reisenden aller Art, mit den Studierenden und der Jugend von Nantes, mit den Eulen, mit den schwarzen sich windenden Salamandern, den knarschenden Eichen, dem Matsch. Wir müssen festhalten an diesen tiefen Freundschaften und den Netzwerken des Kampfes, die wir mit so großer Intensität über das letzte Jahrzehnt geteilt haben.“

 

Weitere Informationen
A call for intergalactic solidarity

Filmprojekt Everything’s coming together while everything’s falling apart: The ZAD

Beitrag im Guardian
Petition